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BAG -Entscheidung:  HIV-Infektion gleich Behinderung iSd. AGG

Der an einer symptomlosen HIV-Infektion erkrankte Kläger wurde von der Beklagten, die intravenös verabreichte Arzneimittel zur Krebsbehandlung herstellt, als Chemisch-Technischer Assistent für eine Tätigkeit im sog. Reinraum eingestellt.

Wenige Tage nach Beginn des Arbeitsverhältnisses wies der Kläger den Betriebsarzt anlässlich seiner Einstellungsuntersuchung auf die Infektion hin. Der Arzt äußerte Bedenken gegen dessen Einsatz im Reinraumbereich und teilte der Arbeitgeberin nach Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht die HIV-Infektion des Klägers mit.

Noch am selben Tag kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich. Wegen seiner ansteckenden Krankheit könne sie den Kläger nach ihrem internen Regelwerk nicht einsetzen. Der Kläger hat geltend gemacht, er sei behindert. Die Kündigung sei unwirksam, weil sie ihn wegen seiner Behinderung diskriminiere. Außerdem verlangt er eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.

Die Entscheidung: Das BAG hat den Fall zur weiteren Aufklärung an das LAG zurückverwiesen.

Die Richter stellten zunächst klar, dass auch chronische Erkrankungen zu einer Behinderung führen können. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) untersagt jedoch Diskriminierungen u.a. wegen einer Behinderung. Ein Arbeitnehmer, der an einer symptomlosen HIV-Infektion erkrankt ist, ist in diesem Sinn behindert.

Daher gilt: Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis eines solchen Arbeitnehmers in der gesetzlichen Wartezeit des § 1 KSchG wegen der HIV-Infektion, ist die Kündigung im Regelfall diskriminierend und damit unwirksam. Dies gilt zumindest dann, wenn der Arbeitgeber durch angemessene Vorkehrungen den Einsatz des Arbeitnehmers trotz seiner Behinderung ermöglichen kann.

Vorliegend benachteiligt die Kündigung den Kläger unmittelbar i.S.d. § 3 Abs. 1 AGG, weil sie in untrennbarem Zusammenhang mit seiner Behinderung steht.

Ob die Kündigung gleichwohl gerechtfertigt ist, steht noch nicht fest. Das LAG muss noch aufklären, ob die Arbeitgeberin durch angemessene Vorkehrungen den Einsatz des Klägers im Reinraum hätte ermöglichen können. Ist das nicht der Fall, ist die Kündigung wirksam. Ob dem Kläger eine Entschädigung zusteht, hängt davon ab, ob die Kündigung wirksam ist.

RA Sagsöz, Arbeitsrecht Dezernat. Noch Fragen? –  0228 9619720

Quelle:

BAG, Urteil vom 19.12.2013 Aktenzeichen: 6 AZR 190/12 PM des BAG Nr. 78/13 v. 19.12.2013

Verwendet eine potentielle Arbeitgeberin in dem Ablehnungsschreiben an eine Bewerberin die unzutreffende Anrede „Sehr geehrter Herr“, lässt dies nicht darauf schließen, dass eine Benachteiligung wegen der Rasse oder der ethnischen Herkunft vorliegt. Dies hat das Arbeitsgericht Düsseldorf in einem Fall entschieden, in dem eine Bewerberin, die sich um eine Stelle als lebensmitteltechnische Assistentin beworben hatte, geklagt hatte, nachdem sie im Ablehnungsschreiben mit „Sehr geehrter Herr“ angesprochen worden war. Die Klägerin war der Ansicht, dass aufgrund des ihrer Bewerbung beiliegenden Fotos eindeutig erkennbar gewesen sei, dass sie weiblich sei und die falsche Anrede nur daraus resultieren könne, dass man ihrer Bewerbung aufgrund des sich aus ihrem Namen ergebenden Migrationshintergrundes von vornherein keine Beachtung geschenkt habe. Mit ihrer Klage machte sie eine Entschädigung in Höhe von 5.000 Euro geltend. Das Arbeitsgericht wies die Klage jedoch mit der Begründung ab, dass die Klägerin nicht ausreichend Tatsachen für eine mögliche Benachteiligung wegen eines der in § 1 AGG genannten Merkmale wie der Rasse oder der ethnischen Herkunft vorgetragen habe. Nach § 22 AGG gelte zwar die Beweislastregel, dass es ausreicht, dass der Arbeitnehmer Tatsachen vorträgt, aus denen sich nach allgemeiner Lebenserfahrung eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine solche Benachteiligung ergibt, die Verwechslung in der Anrede allein lasse eine solche Benachteiligung aber nicht vermuten, da es genauso wahrscheinlich, wenn nicht sogar näher liegend, sei, dass die falsche Anrede schlicht auf einem Fehler bei der Erstellung des Ablehnungsschreibens beruhe.

Quelle: Pressemitteilung des Arbeitsgerichts Düsseldorf 16/11 (22.03.2011)

Verf. Rechtsanwalt Sagsöz