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Die Klägerin war als Außendienstmitarbeiterin im Vertrieb beschäftigt. Neben ihr waren zwei männliche Mitarbeiter in derselben Funktion beschäftigt. Die Beklagte hatte allen zunächst ein Grundentgelt aus. Einer der Kollegen verhandelte dann für einen gewissen Zeitraum ein höheres Grundgehalt mit der Beklagten, das diese auch auszahlte. Die Klägerin verlangte daraufhin von der Beklagten, die Differenz zum (höheren) Entgelt ihres Kollegen an sie auszuzahlen – und bekam damit- überwiegend- Recht.  Nach Auffassung des BAG wurde die Klägerin aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt, weil ihr ein niedrigeres Grundgehalt ausgezahlt wurde als ihrem männlichen Kollegen. Allein der Umstand, dass Beschäftigte mit verschiedenem Geschlecht und vergleichbarer Tätigkeit unterschiedlich bezahlt werden, begründet nach § 22 AGG die Vermutung, dass die schlechtere Bezahlung aufgrund des Geschlechts erfolgt ist. Die Beklagte konnte diese Vermutung nicht widerlegen. Die Arbeitgeberin durfte sich hier nicht darauf berufen, dass der männliche Kollege die höhere Vergütung individuell ausgehandelt hatte. Das Verhandlungsgeschick des männlichen Kollegen ist kein objektiv geeignetes Kriterium, das eine ungleiche Bezahlung rechtfertigen kann.  Zusätzlich zu der Gehaltsdifferenz wurde der Klägerin auch eine Entschädigungszahlung auf Grundlage von § 15 Abs. 2 AGG zugesprochen, da in der niedrigeren Bezahlung ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes gesehen wurde. Grundsätzlich bleiben Differenzierungen in Bezug auf das Gehalt bleiben zwischen Beschäftigten verschiedener Geschlechter zulässig – sie müssen nur objektiv und geschlechtsneutral begründet sein. Hierzu zählen insbesondere Berufserfahrung und Qualifikationen. Auskunftsansprüche nach dem Entgelttransparenzgesetz haben grundsätzlich nur Mitarbeiterinnen von Betrieben mit über 200 Arbeitnehmern. Das Urteil ist dennoch wegweisend.

Urteil des BAG vom 16.02.2023 – 8 AZR 450/21

  1. Arbeitsrecht aktuell

Arbeitgeber können fristlos kündigen, wenn ein Arbeitszeitbetrug vorliegt.

Das gilt auch, wenn ein Arbeitnehmer etwa zehn Minuten Kaffee trinken geht und sich nicht bei der elektronischen Zeiterfassung ausstempelt. In dem Fall  ist auch eine Abmahnung verzichtbar, so das Landesarbeitsgericht Hamm (Az.: 13 Sa 1007/22).

Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt entschied, dass eine konfessionslose Bewerberin, die sich vergeblich bei einem kirchlichen Hilfswerk um eine Referentenstelle bewarb, nicht hätte abgelehnt werden dürfen.

Geklagt hatte eine Sozialpädagogin aus Berlin, die als Konfessionslose bei einer Stellenausschreibung der Diakonie nicht zum Zuge gekommen war. Sie forderte eine Entschädigung wegen Diskriminierung und hatte nach fünf Jahren Gang durch die Instanzen vor dem Bundesarbeitsgericht Erfolg (8 AZR 501/14).

Das BAG setzten in ihrem Grundsatzurteil Regeln, wann eine Kirchenmitgliedschaft verlangt werden kann. Sie stützten sich dabei auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg vom April 2018. Wie dieser verlangten auch die Bundesarbeitsrichter, dass eine Religionszugehörigkeit bei Einstellungen nur zur Bedingung gemacht werden kann, wenn das für die konkrete Tätigkeit objektiv geboten ist. Eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion sei nur dann keine Diskriminierung und damit zulässig,

„wenn die Religion nach der Art der Tätigkeiten oder den Umständen ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung“.

Das Urteil hat Einfluss auf viele Stellenausschreibungen, die Arbeitgeber für mehr als eine Million Menschen in Deutschland sind. Damit ist das Urteil sehr relevant. Der Klägerin billigte das BAG eine Entschädigung von zwei Monatsbruttoverdiensten zu – ca. 4000,- Euro.

Zum Vorstellungsgespräch sei die Frau allerdings aus einem anderen Grund nicht eingeladen worden: Sie habe nicht den für die Einstellung vorausgesetzten Hochschulabschluss nachweisen können.

Die Kirchen haben in Deutschland ein vom Grundgesetz verbrieftes Selbstbestimmungsrecht, das auch für ihre Rolle als Arbeitgeber gilt. In der Regel verlangen sie unter Verweis auf ihren kirchlichen Auftrag und ihr Ethos von ihren Angestellten die Zugehörigkeit zu einer christlichen Kirche. Bei der Evangelischen Kirche und der Diakonie regelt das nach Angaben eines Sprechers eine Loyalitätsrichtlinie, die 2017 überarbeitet wurde

Die Richter orientierten sich an einer Entscheidung des EU-Gerichtshofs: Zwar haben die Kirchen weiter das Recht, für bestimmte Stellen von den Bewerbern die Zugehörigkeit zu einer christlichen Kirche zu verlangen. Aber das gilt nicht mehr für alle Stellen. Und Arbeitsgerichte haben künftig das Recht zu überprüfen, ob für die fragliche Stelle die Religionszugehörigkeit „wesentlich, notwendig und gerechtfertigt“ ist.

RA Sagsöz

Das Neutralitätsgebot an öffentlichen Schulen rechtfertigt es nicht, muslimischen Lehrerinnen das Tragen eines Kopftuchs generell zu verbieten, entschied das Bundesverfassungsgericht. Damit sind auch Abmahnungen und Kündigungen rechtswidrig, die auf das Verbot gestützt werden.

Auch wir bearbeiten derartige Fallkonstellationen, welche wegen der Anhängigkeit beim BVerfG  ausgesetzt wurden. Nun ist die Entscheidung endlich da.

Nach § 57 Abs. 4 Satz 1 des Schulgesetzes für Nordrhein-Westfalen (SchulG NRW) dürfen Lehrerinnen und Lehrer an öffentlichen Schulen keine religösen Bekundungen abgeben, die geeignet sind, die Neutralität des Landes gegenüber Schülerinnen und Schülern sowie Eltern zu oder den Schulfrieden zu gefährden oder zu stören.  In Nordrhein-Westfalen wurde Lehrerinnen untersagt, während des Dienstes in der Schule als Audruck ihres muslimischen Glaubens ein Kopftuch zu tragen. Bei fortgesetzter Weigerung, das Kopftuch abzulegen, sprachen das Land bzw. die Schulbehörde Abmahnungen und im Wiederholensfalle Kündigungen aus. Zwei Klägerinnen, die wegen des Tragens eines Kopftuchs abgemahnt  worden waren, erhoben Verfassungsbeschwerde.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hob die arbeitsgerichtlichen Entscheidungen auf und verwies die beide Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die zuständigen Landesarbeitsgerichte (LAG) zurück. Bei ihrer neuen Entscheidung müssen die Gerichte Vorgaben beachten:

Der Erste Senat des BVerfG entschied mit 7 von 9 Richterstimmen, dass die Entscheidungen des BAG und der Landesgerichte die Beschwerdeführerinnen in ihrem Grundrecht auf Glaubens- und Bekenntnisfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG verletzt haben. Dieses Grundrecht gewährleiste auch Lehrkräften in der öffentlichen bekenntnisoffenen Gemeinschaftsschule die Freiheit, einem aus religiösen Gründen als verpflichtend verstandenen Bedeckungsgebot zu genügen.

Der mit dem Kopftuchverbot an nordrhein-westfälischen Schulen verbundene Eingriff in die Glaubensfreiheit der Beschwerdeführerinnen wiege schwer. Sie hätten plausibel dargelegt, dass es sich für sie – entsprechend dem Selbstverständnis von Teilen im Islam – um ein als verpflichtend verstandenes religiöses Bedeckungsgebot in der Öffentlichkeit handelt. Das Verbot berühre zudem nachvollziehbar ihre persönliche Identität, so dass das Verbot dieser Bedeckung im Schuldienst für sie sogar den Zugang zum Beruf verstelle (Art. 12 Abs. 1 GG).

§ 57 Abs. 4 Satz 1 und 2 und § 58 Satz 2 SchulG NW greifen in diese Grundrechte ein, soweit Pädagoginnen und Pädagogen durch Kleidung und äußeres Erscheinungsbild eine religiöse Bekundung abgeben. Die Bestimmungen müssen daher im Sinne der Grundrechte einschränkend ausgelegt werden.

Soweit die Arbeitsgerichte § 57 Abs. 4 Satz 1 SchulG NW so ausgelegt haben, dass schon eine eine bloß abstrakte Gefährdung des Schulfriedens oder der staatlichen Neutralität genügt, um das Tragen eines Kopftuchs zu untersagen, sei dies unverhältnismäßig, entschied das BVerfG. Grundsätzlich verfolge das Verbot religiöser Bekundungen zwar legitime Ziele, nämlich die Wahrung des Schulfriedens und der staatlichen Neutralität.Diese Ziele würden aber durch das bloße Tragen eines islamischen Kopftuchs oder anderer Symbole wie der jüdischen Kippa oder ein christliches Nonnen-Habit nicht beeinträchtigt. Daher sei ein Kopftuchverbot erst dann zu rechtfertigen, wenn im Einzelfall eine hinreichend konkrete Gefahr für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität feststellbar ist. Selbst dann werde jedoch zuerst eine anderweitige pädagogische Verwendungsmöglichkeit der Betroffenen in Betracht zu ziehen sein.

RA  Alpan Sagsöz  0228 9619720

Eine Bankangestellte, die mit einer Generalvollmacht mehrfach Geld von einem Konto ihrer Mutter auf eigene Konten umgebucht hat, kann deswegen nicht fristlos gekündigt werden, auch wenn sie dadurch gegen Geschäftsanweisungen ihres Arbeitgebers verstößt.

Eine Abmahnung wäre ausreichend gewesen, entschied das LAG Düsseldorf.

Die Klägerin war seit dem Jahr 2008 bei dem beklagten Geldinstitut beschäftigt und Vorgesetzte von drei und später zwei Teams. Sie verfügte über eine Generalvollmacht über das bei der Beklagten geführte Sparbuch ihrer Mutter. Über das Sparbuch verfügte die Klägerin in den Jahren 2010 bis 2012 insgesamt 33 mal online und buchte Beträge zwischen 500 Euro und 12.000 Euro um und zwar 29 Mal auf ihr eigenes Konto, drei Mal auf ein Konto ihrer Mutter und einmal auf das Sparbuch ihrer minderjährigen Tochter.

Die Zahlungsvorgänge wurden wie vorgesehen im Rahmen des Vier-Augen-Prinzips jeweils durch einen weiteren Mitarbeiter freigegeben. Die internen Geschäftsanweisungen des Geldinstituts sahen indes u.a. vor, dass die Mitarbeiter in eigenen Angelegenheiten weder entscheidend noch beratend mitwirken dürfen, wenn die Entscheidung ihnen selbst, ihrem Ehegatten oder einem Verwandten bis zum Dritten Grad einen unmittelbaren Vorteil bringen kann. Das Bankinstitut erhielt Kenntnis von den Buchungen aufgrund einer Nachfrage eines Erben der inzwischen verstorbenen Mutter der Klägerin.

Ebenso wie das Arbeitsgericht (Arbeitsgericht Solingen, Urteil vom 02.05.2014 – 4 Ca 142/14 lev) hat das Landesarbeitsgericht (LAG )Düsseldorf festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die daraufhin von der Beklagten – fristlos und hilfsweise fristgerecht – ausgesprochenen Kündigungen nicht aufgelöst worden ist. Unstreitig hatte die Klägerin im Verhältnis zu ihrer Mutter die Verfügungen berechtigt vorgenommen.

Gleichwohl lag in ihrem Verhalten eine erhebliche Pflichtverletzung, weil sie aufgrund der Anweisungen des Geldinstituts nicht berechtigt war, als Mitarbeiterin Buchungen zu ihren Gunsten vorzunehmen. Dadurch sollte bereits der Anschein einer Interessenkollision vermieden werden. Die Pflichtverletzung war aber nicht so schwerwiegend, dass auf sie nicht noch durch eine Abmahnung ausreichend reagiert werden konnte. Maßgeblich ist im Kündigungsrecht das Prognoseprinzip. Nach dem festgestellten Sachverhalt und dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung war nicht davon auszugehen, dass eine Abmahn ung von vornherein erfolglos gewesen wäre und nicht zu einer Verhaltensänderung der Klägerin geführt hätte. Der von der Beklagten in der zweiten Instanz gestellte Auflösungsantrag war unbegründet. Es lagen keine Auflösungsgründe vor, die wesentlich über den Kündigungsvorwurf hinausgingen. Das Landesarbeitsgericht hat die Revision nicht zugelassen.

Quelle: LAG Düsseldorf, Urteil vom 04.11.2014 Aktenzeichen 17 Sa 637/14 Quelle: LAG Düsseldorf, Pressemitteilung vom 05.11.2014

Wenn der Chef es fordert, müssen Arbeitnehmer ihre Arbeitsunfähigkeit vom 1. Krankheitstag an nachweisen.

Zwar ist in § 5 Abs.1 Satz 2 Entgeltfortzahlungsgesetz der Grundsatz niedergelegt, dass ein Arbeitnehmer erst am vierten Tag der Erkrankung ein ärztliches Attest vorlegen muss. Satz drei dieser Regelung räumt dem  Arbeitgeber jedoch das Recht ein, die Vorlage der Bescheinigung auch früher zu verlangen. Das Gesetz weist dem Arbeitgeber somit ein einseitiges Recht  zu, auf dessen Grundlage er die frühere Vorlage anordnen kann. Weisungen des Arbeitgebers im  Rahmen seines Direktionsrechts unterliegen zwar der Kontrolle. Danach muss der Arbeitgeber seine Anordnungen im Rahmen des  so genannten „billigen Ermessens“ vornehmen. Er muss also die wesentlichen Umstände des Falles abwägen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigen.

Allerdings stellt die gesonderte Vorlagepflicht in § 5 Abs.1 Satz 3 EFZG eine Spezialregelung zu dem § 106 GewO dar und hat Vorrang.  Unzulässig wäre seine Weisung nur dann, wenn er willkürlich nur von bestimmten  Arbeitnehmern verlangen würde, früher ein Attest vorzulegen. Willkür liegt allerdings gegenüber der Medienangestellten nicht vor, da der WDR die Redakteurin nach einer Kurzerkrankung zur Vorlage des (gelben) Scheins ab dem 1.  Tag aufforderte. Er handelte hier nachvollziehbar. Wenn auch die Richter den Arbeitgebern grünes Licht für die frühere Forderung nach einem ärztlichen Attest gaben, sollte in den Chefetagen dennoch vorsichtiges walten herrschen – um die Atmosphäre nicht zu vergiften. Wer sich allerdings nach sachlichem Abwägen im Recht sieht, kann sich nun  auf einen höchstrichterlich anerkannten Anspruch stützen.

Rechtsanwalt Sagsöz, Bonn

Ein Berliner Zahnarzt muss  Schadensersatz an eine junge Muslimin zahlen. Er hatte sie als Auszubildende abgelehnt, weil sie bei der Arbeit ein Kopftuch tragen wollte. Das sei eine Diskriminierung ihrer Religion, entschied das Berliner Arbeitsgericht (Az.: 55 Ca 2426/12).

Die Frau bewarb sich um eine Lehrstelle als Zahnarzthelferin. Der Arzt zeigte sich beim Vorstellungsgespräch interessiert an einer Einstellung der jungen Frau mit Hochschulreife, die gut ins Team zu passen schien. Seine Bedingung: Sie müsse bei der Arbeit auf ihr Kopftuch verzichten. Dazu war die junge Frau nicht bereit.

Die Frau hatte mit Hilfe des Türkischen Bunds Berlin geklagt. Das Arbeitsgericht sah eine Verletzung des Allgemeinen Gleichstellungsgesetzes (AGG), das seit 2006 gilt. Danach dürfen private Arbeitgeber bei der Einstellung und Beförderung keine Unterschiede werden der Religion machen. Das Tragen eines Kopftuchs sei aber ,,ein Akt der Religionsausübung‘‘ – und der Grund, dass sie aussortiert wurde.

Der Arbeitgeber habe sich auf die Kleiderordnung in der Praxis berufen: weiße Hosen, Hemden, T-Shirts oder Blusen. Das überzeugte die Richter nicht. Ein Kopftuch lasse sich mit den Kleidungsstücken sehr wohl kombinieren. Auch aus hygienischen Gründen sei ein Kopftuch nicht von Nachteil.

Die junge Frau wird mit drei Monatsgehältern entschädigt, insgesamt sind das rund 1.500 Euro.

RA Sagsöz

Die unverzügliche Mitteilung der Arbeitsunfähigkeit dem Arbeitgeber gegenüber, gehören zu den Pflichten eines Arbeitnehmers. In dem vorliegenden Fall  meldete sich ein Arbeiter sechsmal zu spät. Er wurde gekündigt.

Zu Recht, entschied das Hessische Landesarbeitsgericht (Hess. LAG, Urteil  vom 18. Januar 2011, Az: 12 Sa 522/10 ).

Der 37- jährige ledige Kläger arbeitete seit Mai 1993 als Vorarbeiter in der Flugzeugreinigung bei einem Dienstleistungsunternehmen auf dem Frankfurter Flughafen. Der Vorarbeiter war in Vergangenheit wiederholt arbeitsunfähig erkrankt. Bereits im Jahre 2003 erinnerte der Arbeitgeber den Vorarbeiter schriftlich daran, eine Erkrankung unverzüglich, das heißt möglichst noch vor Dienstbeginn, der Personalabteilung anzuzeigen, damit man reagieren konnte. Dennoch zeigte der Vorarbeiter seine Arbeitsunfähigkeit in der Folgezeit zwischen 2003 und 2009 sechsmal verspätet an und wurde dafür viermal abgemahnt. Er wurde  fristlos, hilfsweise ordentlich gekündigt. Der Vorarbeiter ging gegen seine Kündigung vor und hatte vor dem Arbeitsgericht Erfolg.

Dagegen legte der Arbeitgeber Berufung ein. Diese war vor dem Landesarbeitsgericht erfolgreich. Die Richter hielten die Kündigung als ordentliche Kündigung für wirksam. Die wiederholte Verletzungen der Anzeigepflicht bei Arbeitsunfähigkeit nach erfolgter Abmahnung rechtfertige die ordentliche Kündigung.

Die Pflicht zur unverzüglichen Mitteilung der Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtlicher Dauer ergebe sich aus dem Gesetz. Sie bestehe unabhängig von der Pflicht zur Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Nach der Anzahl der Pflichtverstöße des Klägers trotz erhaltener Abmahnungen überwiege das Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Im Verhinderungsfall muss unverzüglich das Nichterscheinen mitgeteilt werden, damit der Arbeitgeber kurzfristig anderweitig disponieren kann. Dem Kläger fiele als Vorarbeiter zudem noch eine herausgehobene Rolle zu. Der Arbeitgeber sei bei seinem Geschäft in besonderer Weise auf verlässliche Mitarbeiter angewiesen.

Verf. Rechtsanbwalt Sagsöz

Verwendet eine potentielle Arbeitgeberin in dem Ablehnungsschreiben an eine Bewerberin die unzutreffende Anrede „Sehr geehrter Herr“, lässt dies nicht darauf schließen, dass eine Benachteiligung wegen der Rasse oder der ethnischen Herkunft vorliegt. Dies hat das Arbeitsgericht Düsseldorf in einem Fall entschieden, in dem eine Bewerberin, die sich um eine Stelle als lebensmitteltechnische Assistentin beworben hatte, geklagt hatte, nachdem sie im Ablehnungsschreiben mit „Sehr geehrter Herr“ angesprochen worden war. Die Klägerin war der Ansicht, dass aufgrund des ihrer Bewerbung beiliegenden Fotos eindeutig erkennbar gewesen sei, dass sie weiblich sei und die falsche Anrede nur daraus resultieren könne, dass man ihrer Bewerbung aufgrund des sich aus ihrem Namen ergebenden Migrationshintergrundes von vornherein keine Beachtung geschenkt habe. Mit ihrer Klage machte sie eine Entschädigung in Höhe von 5.000 Euro geltend. Das Arbeitsgericht wies die Klage jedoch mit der Begründung ab, dass die Klägerin nicht ausreichend Tatsachen für eine mögliche Benachteiligung wegen eines der in § 1 AGG genannten Merkmale wie der Rasse oder der ethnischen Herkunft vorgetragen habe. Nach § 22 AGG gelte zwar die Beweislastregel, dass es ausreicht, dass der Arbeitnehmer Tatsachen vorträgt, aus denen sich nach allgemeiner Lebenserfahrung eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine solche Benachteiligung ergibt, die Verwechslung in der Anrede allein lasse eine solche Benachteiligung aber nicht vermuten, da es genauso wahrscheinlich, wenn nicht sogar näher liegend, sei, dass die falsche Anrede schlicht auf einem Fehler bei der Erstellung des Ablehnungsschreibens beruhe.

Quelle: Pressemitteilung des Arbeitsgerichts Düsseldorf 16/11 (22.03.2011)

Verf. Rechtsanwalt Sagsöz

Das Bundesarbeitsgericht hat am 7. Juli 2011 in seinem Urteil festgestellt:

Die falsche Beantwortung einer dem Arbeitnehmer bei der Einstellung zulässigerweise gestellten Frage kann den Arbeitgeber dazu berechtigen, den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten. Wirkt sich die Täuschung im Arbeitsverhältnis weiterhin aus, kann zudem eine Kündigung gerechtfertigt sein.

Die Klägerin hatte bei der Einstellung die Frage nach dem Bestehen einer Schwerbehinderung unzutreffend verneint. Die Täuschung war jedoch nicht ursächlich für den Abschluss des Arbeitsvertrags. Die Beklagte hat ausdrücklich erklärt, sie hätte die Klägerin auch dann eingestellt, wenn diese die Frage wahrheitsgemäß beantwortet hätte. Die Beklagte konnte die Anfechtung und Kündigung auch nicht darauf zu stützen, dass die Klägerin sie zugleich über ihre Ehrlichkeit getäuscht habe. Die Annahme der Beklagten, die Klägerin sei ehrlich, beruhte nicht auf deren falscher Antwort. Auf die Frage, ob sich der Arbeitgeber vor der Einstellung nach dem Bestehen einer Schwerbehinderung erkundigen darf, kam es nicht an. Die Klägerin ihrerseits hat keinen Anspruch auf Entschädigung wegen einer Diskriminierung. Es gab keine ausreichenden Indiztatsachen dafür, dass sie von der Beklagten wegen ihrer Behinderung benachteiligt wurde. Der Senat hat nicht entschieden, ob § 15 AGG bei unzulässig diskriminierenden Kündigungen überhaupt anwendbar ist.

Verfasser: Rechtsanwalt Sagsöz

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 7. Juli 2011 – 2 AZR 396/10 –